Der (Online-)Handel entwickelt sich rasch weiter und Händler und Hersteller sind gefordert, sich mit zu entwickeln. So werden die großen Markplätze wie Amazon oder der Schweizer Online-Händler Galaxus immer relevanter. Zusätzlich öffnen sich immer mehr starke Händler ebenfalls als Marktplätze, so beispielsweise Zalando. Für Hersteller wird (im Retail-Bereich) wiederum der direkte Kundenkontakt immer zentraler. So wird für viele Marken der Direct-to-Consumer-Vertrieb immer wichtiger.
Strategie der Vertriebskanäle
Viele Händler und Hersteller müssen sich also überlegen, welche Strategie im Umgang mit den verschiedenen Vertriebskanälen für sie die richtige ist. Dabei spielen verschiedene Faktoren eine Rolle:
- Steht die Marke im Zentrum?
Je mehr die Marke im Zentrum steht, desto wichtiger ist es, den direkten Kundenkontakt zu haben und das Einkaufserlebnis steuern zu können. So hat sich unter anderem Nike entschieden, nicht auf Amazon zu verkaufen. Gleiches gilt für den Laufschuh-Hersteller ON. Das Einkaufserlebnis auf Amazon entspricht nicht dem Bild, dass sie von ihrer Marke vermitteln wollen. - Wie wichtig ist Wachstum?
Befindet sich ein Online-Händler bereits mit den eigenen Kanälen in einem guten Wachstum, welches ihn bereits heute fordert, ist es sicher weniger zentral, zusätzliche Kanäle wie Marktplätze zu erschließen. Ein weiterer Kanal könnte dann zwar zu noch größerem Wachstum führen, aber auch zu einer Überlastung der Prozesse und somit zu schlechterer Qualität. - Passt ein Vertriebskanal zum jeweiligen Händler/Hersteller?
Daneben muss ein Vertriebskanal, wie ein Marktplatz, auch gut zum Händler und zu dessen Sortiment passen. So muss es beispielsweise möglich sein, mit dem möglicherweise tiefen Preisniveau auf Marktplätzen mithalten zu können. Kann dies ein Händler nicht, wird er auf den Marktplätzen nur wenig Kunden finden.
Herausforderungen für Händler
Gerade für kleinere Händler gibt es einige Herausforderungen im Umgang mit verschiedenen Vertriebskanälen. So ist zum Beispiel der Umgang mit Produktdaten zentral. Erst einmal müssen gute Daten vorhanden sein. Das gilt für Texte, Bilder aber auch die Struktur der Daten. Zudem muss auf die Daten auch einfach, z.B. mit Schnittstellen, zugegriffen werden können. Bereits hier besteht für viele Händler eine große Hürde beim Onboarding auf einen neuen Verkaufskanal. Die Einführung oder der Ausbau eines bestehenden Product Information Systems (PIM) ist die ideale Lösung um diese Schnittstellen-Anforderungen zu lösen.
Aber auch die Logistik und das Verfügbarkeitsmanagement sind wichtig. So ist es für Markplätze ein zentrales Kriterium, dass die Händler schnell liefern können. Zudem wird die Verfügbarkeitsplanung immer schwierig, je mehr Kanäle auf den Warenbestand zugreifen.
Nicht zuletzt wird aber auch Knowhow benötigt, gerade im Bereich Marketing. So verlangt die Umsetzung einer erfolgreichen D2C-Strategie anderes Wissen als der Handel auf Amazon.
Angst vor neuen Vertriebskanälen
Neben den eher technischen Hürden haben aber auch viele Händler Berührungsängste mit neuen Vertriebskanälen. Viele Händler, die heute noch nicht auf Marktplätzen verkaufen, machen dies nicht, weil sie den Marktplätzen nicht vertrauen, weil sie das Potential nicht sehen oder ihnen die Kosten zu hoch sind. Diese Ängste scheinen aber oft unbegründet zu sein.
Böse und teure Marktplätze?
Natürlich sind Marktplätze keine Wohltäter. Und besonders Amazon kämpft mit harten Bandagen. Und so ist sicher bereits einigen erfolgreichen Händlern passiert, dass Amazon die Top-Seller aus dem Sortiment gleich selbst ins Angebot nahm. Aber dies dürfte doch die Ausnahme sein. Dies zeigen auch die Gespräche, die wir mit vielen Schweizer Händlern führen. Diejenigen, die auf Marktplätzen verkaufen sind mehrheitlich zufrieden. Wirklich schlechte Erlebnisse sind sehr selten. Auch die Befürchtung, dass sich der Verkauf auf Marktplätzen nicht rechnet, ist oft nicht begründet. Hier gilt es eine Gesamtrechnung zu betrachten. Zwar verlangen die Marktplätze meist recht hohe Provisionen, die eine grossen Teil der Marge auf den Produkten wegfrisst. Gleichzeitig fallen aber daneben nur sehr wenig Kosten und Aufwand für die Händler an. Eine interessante Studie zu Online-Marktplätzen in der Schweiz findet sich hier.
Sind Hersteller zu zurückhaltend?
Aber auch Hersteller tun sich oft noch schwer, ihr Potential für den Vertrieb direkt an die Endkunden auszuschöpfen. Zwar eröffnen immer mehr Händler eigene Onlineshops. Dennoch schrecken Hersteller vor diesem Schritt zurück, vor allem um ihre bestehenden Vertriebspartner nicht zu verärgern. Auch diese Angst ist weitgehend unbegründet. Eine Studie, welche Die Schweizerische Post zusammen mit der Spryker Systems GmbH durchgeführt hat, zeigt klar, dass der Direktvertrieb von Herstellern gut akzeptiert wird, solange keine Benachteiligung der bestehenden Händler vorkommt. (Quelle: Direct to Consumer – wie Hersteller erfolgreich direkt verkaufen können)
Kulturelle Hürde
Nicht zuletzt geht es aber auch darum, das gewohnte Terrain zu verlassen und Neues auszuprobieren. Dies kann auch innerhalb der Unternehmen zu Ängsten und somit Widerständen führen. Der Außendienst kann sich durch neue, digitale Kanäle bedroht fühlen. Oder neue Ideen werden mit dem Argument, dass man das noch nie so gemacht hat, bereits im Keim erstickt. Verfügt ein Unternehmen über eine offene und mutige Grundhaltung, auch im Umgang mit Misserfolgen, hilft das ungemein, Marktchancen wahrnehmen zu können.
Fazit
Ob ein neuer Weg wirklich funktioniert, weiß man erst, wenn man ihn gegangen ist. Das gilt auch für neue Vertriebswege. Daher sind Händler und Hersteller sicher gut beraten die Grundlagen zu schaffen, um neue Vertriebswege erschließen zu können, wie im Umgang mit Produktdaten und Neues auch einfach mal auszuprobieren. Oft wird Mut belohnt.
Über den Autor
Philippe Mettler ist Leiter Digital Commerce bei Die Schweizerische Post. In dieser Funktion ist er beratend tätig rund um die Themen des digitalen Handels. Philippe Mettler verfügt über langjährige Erfahrungen in der Beratung und Projektumsetzung, insbesondere in den Bereichen E-Commerce, Web und PIM. Mit Goodson verbindet ihn die langjährige Zusammenarbeit im Rahmen seiner ehemaligen Tätigkeit als Leiter Internet & Publikationssysteme bei der Stämpfli AG. Mit Hansjörg B. Gutensohn und Elmar Eichmann, Vertriebsleiter Schweiz bei Goodson, steht der E-Commerce-Experte stets im engen Kontakt.